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Homeless' letzter Fall
Von P. L. Agiatus Folge 5 [online seit
06.06.2001]
"Das gibt es doch gar nicht", brüllte
Ferdinand Graf von Groithenraff ins Telefon. "Wie konnte das passieren?
Eine Frau? Wo? Dann suchen Sie sie, verdammt noch mal, oder ich ziehe Ihnen
persönlich das Fell über die Ohren. Morgen früh will ich wissen,
wie Sie mir mein Geld wieder beschaffen." Er knallte den Hörer auf
die Gabel. "Ärger, Liebling?" flötete seine Frau Monika
Charlotte, eine geborene Postonia von Unergründlich. Groithenraff blickte
seine Frau nur wütend an. "Glaubst Du, ich lasse mir freiwillig 1,8
Mio. Schweizer Franken stehlen, Du dumme Kuh?" "James", rief die
Gräfin, "öffnen Sie bitte das Terassenfenster, hier riecht es
plötzlich so muffelig." Mit diesen Worten stand sie auf und
verließ den Raum. Sie mußte sich sowieso frisch machen. Am
Nachmittag wollte sie sich nämlich mit A.B. Greifer, ihrem Ex-Geliebten,
in der Stadt treffen. Und dabei würden ziemlich sicher Dinge zur Sprache
kommen, die für Ferdinands Zukunft reichlich Ärger versprachen.
"Hinter meinem Rücken das Testament für diesen Bastard zu
ändern, das wirst du mir büßen", dachte die Gräfin.

Anwalt A.B.Greifer, Chef einer Kanzlei mit mehr als zwanzig
Angestellten, brütetete über einer wirklich wundervollen EV.
Normalerweise überließ er diese Kleinigkeiten seinen Mitarbeitern.
Diese formulierte er deshalb selbst, weil sein Klient äußerst
anspruchsvoll war. Dem größten Getränkehersteller Europas
waren die Aktivitäten einer Umweltgruppe ein Dorn im Auge. Die grünen
Aktivisten betrieben doch tatsächlich eine Webseite unter der Bezeichnung
RINDER.DE, auf der sie sich vehement für einen besseren Umgang mit der
Kreatur und gegen BSE einsetzten. Nach Meinung von Greifer waren das totale
Spinner, die Viecher wurden doch so oder so gegessen. Greifers Kunden
argumentierten nun, das RINDER als Marke geschützt sei, einen
überragenden Bekanntheitsgrad unter den Erfischungsgetränken
besäße und forderten daher die Herausgabe des Domainnamens.
Natürlich würden die albernen Umweltschützer eine Stange Geld
loswerden, bevor es so weit war.
Die ungewohnte Arbeit strengte Greifer an. Er beschloß daher,
eine Pause zu machen, um vor dem Treffen mit der Gräfin Groithenraff
noch eine Kleinigkeit zu essen. Vielleicht würde ihn das auch
inspirieren. Die besten Einfälle kamen A.B. Greifer stets beim Essen.
In seinem Stammlokal hatte er auch die Idee ausgeheckt, Explora mit einer
angeblich gewonnenen Seereise aus der Schweiz wegzulocken. Eine Angestellte
hatte sich telefonisch als Mirinda de Lol von irgend so einer öden
Fernsehshow ausgegeben. Diese hatte Explora nur aufgefordert, zu
bestätigen, daß sie, die Anruferin, die de Lol sei. Im Gegenzug
hatte man Explora als "Preis" die Tickets für eine
dreiwöchige Fernreise versprochen und noch am gleichen Tag per Boten
zugestellt. So einfach funktionierte eine "Entführung".
A.B. Greifer grinste bei dem Gedanken. Ein Kreuzfahrtschiff war so gut wie
ein Gefängnis, er wußte immer, wo sich Explora aufhielt, zumal
er unter der Mannschaft einen Agenten plaziert hatte. Inzwischen konnte er
seine Pläne verfolgen, ohne sich mit dem Weibsstück abgeben zu
müssen, die allerdings eine Augenweide war, wenn die Bilder nur
halbwegs mit dem Original übereinstimmten. Greifer war der geborene
Organisator. Am Ende der Reise mußte er Explora eigentlich nur noch
an der Gangway einsammeln und für die Übergabe an Groithenraff
präparieren. Greifer hatte keine Zweifel daran, daß es
irgendwann zu Verhandlungen kommen würde. Und da würde
Groithenraff ziemlich bluten müssen. Um die beiden senilen Detektive,
die der Graf auf ihn angesetzt hatte, machte er sich keine Sorgen. Deren
Zeit war vorbei, außerdem ließ er sie ständig beobachten.
Von der Seite drohte folglich keine Gefahr. Außerdem hatte er mit
Luigi und seinen Leuten ausgezeichnete Möglichkeiten, den beiden zu
zeigen, wie ungesund die Reaktivierung in den Dienst der britischen Krone
sein konnte.

Explora genoß den Tag am Pool des Hotels. Nach
fast 10 Jahren Internatsaufenthalt in der Schweiz und einer kurzen Banklehre
hatte sie sich auf Wirtschaftsberatung, Marketing und Communication
konzentriert. Die meisten Firmenkontakte dienten ihr dabei als Tarnung
für die Suche nach ihrem Vater. Den frühen Tod der Mutter
führte sie auf deren Kummer zurück, den unbekannten Vater nie
wiedergesehen zu haben. Im Nachlaß ihrer Mutter hatte sie Unterlagen
gefunden, aus denen hervorging, daß ihr leiblicher Vater aus
Deutschland stammte, dort wohl auch lebte, zugleich aber eine Firma in
der Schweiz führte. Explora, in dem Wunsch ihre Mutter zu rächen,
hatte sich daraufhin eine Liste der Schweizer Firmen beschafft, die unter
direkter oder indirekter deutscher Führung standen. Diese gedachte
sie kräftig auszunehmen.
Am nächsten Tag ließ Explora sich zum Hafen
fahren. Sie bezog eine wundervolle, geräumige Außenkabine auf
der Arastirici. Schon beim Einchecken fiel ihr der hühnenhafte Zweite
Offizier auf. Blond, sehr gut gebaut, wohl fast zwei Meter groß,
muskulös und in seiner weißen Uniform ein Traum von einem Mann.
"Den oder keinen", durchzuckte es sie. An diesem Tag ergab sich
aber keine Gelegenheit, nähere Bekanntschaft zu schließen.
Immerhin registrierte Explora erfreut, daß ihr Traummann beim Dinner
an ihrem Tisch saß. Gero von Groithenraff hieß er. Allerdings
plauderte er die ganze Zeit mit zwei recht betagten und mit Gold
behängten Schabracken.
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P. L. Agiatus.
Illustrationen: Uli Hesse
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