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Zum Vorteil durch Rechtsbruch bei Verstößen
gegen die Allgemeinen Informationspflichten des Teledienstgesetzes
- Eine Diskussionsgrundlage -
von Ralf D. Ostermann
[26.04.2002]
"Das Verhalten von Unternehmen im Wettbewerb wird in
Deutschland durch ein Unzahl zum großen Teil überflüssiger
Normen reguliert" (Emmerich, Recht des unlauteren Wettbewerbs,
5. Auflage, § 20, S. 303).
In den ersten vier Monaten nach Änderung des Teledienstgesetzes
kam es bereits mehrfach zu Abmahnungen wegen nicht vorhandener oder
nicht vollständiger Angaben gem. §§ 6, 7 TDG.
In § 12 Abs. 1 TDG ist geregelt, dass ordnungswidrig handelt,
wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 6 Satz
1 TDG eine Information nicht, nicht richtig oder nicht vollständig
verfügbar hält, wobei diese Ordnungswidrigkeit gem. §
12 Abs. 2 TDG mit einem Bußgeld bis zu 50.000 Euro bedroht
ist.
Ungeachtet dessen wird bisweilen die Auffassung vertreten, dass
einem Verstoß gegen § 6 S. 1 TDG auch wettbewerbsrechtliche
Relevanz zukomme und noch weitergehend, dass sich derjenige, der
den Anforderungen nicht genüge, einen Vorteil durch Rechtsbruch
verschaffe, der gem. § 1 UWG sittenwidrig ist. Dem will hier
nachgegangen werden.
Zum Vorteil durch Rechtsbruch
Charakteristisch für die Fallgruppe des Rechtsbruchs ist,
dass ein Wettbewerber dadurch einen Vorteil erlangt, dass er die
durch Gesetze oder Vertrag festgelegten Bindungen missachtet, an
die sich seine Mitbewerber gleichwohl halten (Baumbach/Hefermehl,
22. Auflage, § 1 UWG Rn. 608).
Dabei führt allerdings nicht jede Gesetzesverletzung zu einem
Wettbewerbsverstoß, vielmehr ist dieser nur dann wettbewerbsrechtlich
relevant, wenn die Verletzung geeignet ist, den Wettbewerb irgendwie
zu beeinträchtigen (Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Einl UWG Rn.
168, ders., a.a.O., § 1 UWG Rn. 611), wobei eine bloß
unwesentliche Beeinträchtigung letztlich zur Begründung
eines Unterlassungsanspruchs materiell-rechtlich nicht genügt
(ders., a.a.O., § 13 UWG Rn. 18a).
Die Rechtsprechung hat es bisher abgelehnt, die Sittenwidrigkeit
einfach aufgrund einer Gesetzwidrigkeit zu indizieren (so aber:
Sack, WRP 1985, 1, 9, ders., NJW 1995, 761, 765; Lobe, Die Bekämpfung
des unlauteren Wettbewerbs, Bd. I, S. 63). Der BGH unterscheidet
im Anschluss an die Rechtsprechung des Reichsgerichts (vergl. nur:
RGZ 166, 315, 319; 115, 319, 325f.), vielmehr zwischen sog. sittlich
fundierten Normen, sonstigen wertbezogenen Normen und wertneutralen
Normen (Emmerich, a.a.O., S. 305).
Diesbezüglich führen nur Verstöße gegen wertbezogene
Normen grundsätzlich zu einer Sittenwidrigkeit iSd § 1
UWG, während ein Verstoß gegen wertneutrale Normen lediglich
dann zur Anwendung des § 1 UWG führen, wenn sich der Gewerbetreibende
bewusst und planmäßig über die fragliche Vorschrift
hinwegsetzt, um dadurch einen Vorsprung vor seinen gesetzestreuen
Konkurrenten zu verschaffen (vergl. nur: BGHZ 110, 278, 289; 109,
153, 162; BGH, NJW 1981, 2519, 2520; BGHZ 48, 12, 16; 44, 208, 209;
23, 184, 185; 22, 167, 180).
Zur Begründetheit eines Unterlassungsanspruchs ist in subjektiver
Hinsicht die Kenntnis der Tatumstände ausreichend, aus denen
sich der Gesetzesverstoß ergibt. Nicht erforderlich ist das
Bewusstsein der Rechtswidrigkeit (vergl. nur: BGH, NJW-RR 1987,
553, 554; OLG Köln, GRUR 1991, 19; OLG Hamm, GRUR 1987, 844).
Weiterhin wird für die Anwendung des § 1 UWG zusätzlich
ein bewusster und planmäßiger Verstoß verlangt,
für den bereits ein zielstrebiges, auf Dauer gerichtetes Verhalten
in der Erkenntnis ausreicht, dass dieses geeignet ist, einen Vorsprung
vor seinen Konkurrenten zu verschaffen, so dass von der Anwendung
des § 1 UWG im Grunde nur versehentliche, einmalige Verstöße
ausgeschlossen sind (vergl. nur: BGH, NJW-RR 1991, 1258, 1260; BGH,
NJW-RR 1967, 1558; BGH, NJW 1960, 284). Gleichwohl braucht sich
der Vorsprung nicht zwingend in einer Verbilligung oder Verbesserung
des Angebotes niederschlagen (Emmerich, a.a.O., S. 305f.).
Zur Einordnung von § 6 TDG
Grundsätzlich ist zwischen wertbezogenen und wertneutralen
Normen zu unterscheiden, wobei die wertbezogenen Normen sich nochmals
in sittlich fundierte Gebote und sonstige wertbezogene Vorschriften
unterteilen. Die Gruppe der sittlich fundierten Gebote ist nach
Auffassung der Gerichte klein und umfasst nur die Mehrzahl der strafrechtlichen
Verbote (vergl. Emmerich, a.a.O., S. 307). Der Verletzung sittlich
fundierter Gebote stehen nach Auffassung der Rechtsprechung Verstöße
gegen sonstige wertbezogene Normen gleich.
Hierunter sind in erster Linie Vorschriften zu verstehen, die wichtige
Gemeinschaftsgüter, wie z.B. die Volksgesundheit (vergl.: BGHZ
140, 134; 114, 354; 81, 130, 132); die Rundfunkfreiheit (vergl.:
BGHZ 110, 278, 290) oder auch das Vertrauen der Allgemeinheit in
die Zuverlässigkeit der (Steuer-)Rechtspflege (vergl.: BGHZ
98, 330, 336; OLG Karlsruhe, OLG-Report 1999, 292; OLG Hamm, DB
1999, 2056) schützen. Aber auch der Verbraucherschutz wird
zu den wichtigen Gemeinschaftsgütern oder Institutionen gezählt
(vergl. statt aller: Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 1 UWG, Rn.
614).
Darüber hinaus zählen hierzu auch die sog. "unmittelbar
wettbewerbsbezogenen Vorschriften" - wobei eine sachgerechte
Abgrenzung dieser Vorschriften von anderen nach wie vor unklar ist
(vergl. Emmerich, a.a.O., S. 309). Dabei soll es sich um Vorschriften
handeln, deren Zweck mit Schutzgesetzen iSv § 823 Abs. 2 BGB
vergleichbar sind (vergl.: Emmerich, a.a.O., S. 310) bzw. deren
Schutzzweck gerade die Lauterkeit des Wettbewerbs darstellt (vergl.:
BGHZ 79, 390, 400; 110, 278, 290f.; BGH, NJW 1973, 1371, 1372; BGH,
NJW 1978, 2095, 2096).
Mit der Vorschrift des § 6 TDG wurde Artikel 5 ECRL umgesetzt.
§ 6 TDG soll der Anonymität von Diensteanbietern entgegenwirken
und dient somit der Stärkung des Vertrauens der Verbraucher
in den elektronischen Geschäftsverkehr (so: Weber, Der Adressatenkreis
der Verpflichtung zur Anbieterkennung im Internet nach der Neufassung
des Teledienstgesetzes, JurPC Web-Dok. 76/2002 Abs. 6; Bizer, Die
Anbieterkennzeichnung im Internet, DuD 1999, 621), insbesondere
aber der Transparenz von geschäftsmäßig erbrachten
Telediensten und die Einhaltung der in den Mitgliedstaaten geltenden
Berufsregeln (Weber, a.a.O.)
Der europäische und der nationale Gesetzgeber haben ausdrücklich
klargestellt, dass § 6 S. 1 TDG dem Verbraucherschutz diene.
Zweifelsohne stellt eine Vorschrift, die dem Schutz des Verbrauchers
zu dienen bestimmt ist, eine wertbezogene Norm dar (vergl. nur:
Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Rn. 614; OLG München, Urteil v.
29.07.2001 - Az.: 29 U 3265/01 - online über JurPC Web-Dok. 43/2002, Abs. 1 - 21 ). Insbesondere
reichen Verstöße gegen verbraucherschützende Informationspflichten
aus, um für sich genommen die Sittenwidrigkeit iSv § 1
UWG zu begründen (vergl. nur: OLG Frankfurt, MDR 2001, 744;
LG München II, WRP 2001, 326; LG Berlin, WRP 2001, 326; LG
Baden-Baden, WRP 1998, 1034, a.A. LG Hamburg, NJW-RR 2001, 1075
- zu § 6 Nr. 1 TDG a.F.).
Daran ändert sich auch nichts, dass der Sinn und Zweck der
Norm zu einem nicht unwesentlichen Teil auch wirtschaftspolitischer
Natur ist, soweit durch sie der Schutz des Vertrauens der
Verbraucher in den elektronischen Geschäftsverkehr geschützt
wird. Ebensowenig läßt sich sich hier die Rechtslage
bei Presseerzeugnissen (vergl. hierzu nur: BGH, WRP 1990, 250) oder
den erforderlichen Angaben auf Geschäftsbriefen gem. §
125a HGB heranziehen. Insbesondere kann nicht auf die ständige
Rechtsprechung des BGH zur Einordnung der Preisangabenverordnung
abgestellt werden. Entscheidend ist allein, dass der Schutzzweck
der Norm gerade den Schutz des Verbrauchers bezweckt. Dies ist bei
§ 6 S. 1 TDG jedoch unstreitig der Fall.
Ein Verstoß gegen diese Vorschrift indiziert mithin die Unlauterkeit,
ohne das es der Feststellung weiterer Unlauterkeitsmerkmale bedarf.
Materiell-rechtliche Anforderungen an den Unterlassungsanspruch
Wenn sich § 6 S. 1 TDG grundsätzlich als wertbezogene
Norm darstellt, ist die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs
für einen Mitbewerber gem. § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG davon
abhängig, ob die beeinträchtigende Handlung geeignet ist,
den Wettbewerb auf diesem Markt wesentlich zu beeinträchtigen
(vergl. nur: Baumbach/Hefermehl, § 13 UWG, Rn. 18a).
Wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 13 Abs. 2 Nr. 1 ergibt,
ist die Prüfung, ob ein Wettbewerbsverstoß geeignet ist,
den Wettbewerb wesentlich zu beeinträchtigen, ohne jede Einschränkung
für alle Fälle der §§ 1, 3, 4, 6 bis 6c, 7 und
8 UWG erforderlich (vergl. auch: Baumbach/Hefermehl, a.a.O.).
Aus der Begründung des Regierungsentwurfs (WRP 1994, 369,
377) ergibt sich, dass es sich bei dem Erfordernis der Eignung zur
wesentlichen Beeinträchtigung um ein materiell-rechtliches
Kriterium der Klagebegründung handelt (a.A.: mit zum Teil beachtlicher
Begründung: Nacken, WRP 1994, 731, 734; Gröning, WRP 1994,
775, 779; Wiebe, WRP 1995, 75, 78 - der sich für eine Doppelnatur
ausspricht). Gleichwohl spricht für diese Behandlung, dass
die Eignung zur wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs
einen Wettbewerbsverstoß voraussetzt (so zutreffend: Baumbach/Hefermehl,
a.a.O., Rn. 18c). Liegt bereits kein Wettbewerbsverstoß vor,
ist die Klage als unbegründet abzuweisen (BGH, WRP 1995, 392).
Entscheidend ist also, ob ein Wettbewerbsverstoß vorliegt.
Nach BGH, NJW 1995, 724, 726 ist sodann wie folgt vorzugehen:
"Ob das, neben den Tatbestandsvoraussetzungen des § 1
UWG zu prüfende, materiellrechtliche Erfordernis der Eignung
zur wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs vorliegt,
ist eine Frage des Einzelfalles. [...] Bei der danach in jedem Einzelfall
erforderlichen Prüfung ist maßgebend auf die Art und
Schwere des Verstoßes abzustellen. Nach dem Gesetz verfolgten
Zweck muss der Verstoß ein gewisses Gewicht haben. Der Gesetzgeber
hat die Klagebefugnis der Mitbewerber und Wettbewerbsvereine auf
solche Fälle beschränken wollen, deren Auswirkungen auf
das Wettbewerbsgeschehen so erheblich sind, dass die Interessen
der Allgemeinheit ernstlich betroffen sind, er wollte erreichen,
dass geringfügige Wettbewerbsverstöße, sogenannte
Bagatellverstöße, nicht als sittenwidrige Wettbewerbshandlungen
verfolgt werden. [...]"
So erfüllen zum Beispiel auch geringfügige Verstöße
gegen das Ladenschlussgesetz [allerdings eine wertneutrale Norm]
nach Ansicht des OLG Hamm (vergl. OLG Hamm, MDR 1994, 899) nicht
die Eignung zur wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs.
Mithin können unbillige Ergebnisse an dieser Stelle vermieden
werden, denn durch das materiell-rechtliche Erfordernis der "Eignung
zu einer wesentlichen Beeinträchtigung" wird die Verfolgungsmöglichkeit
erheblich erschwert und - zu Recht - auf wettbewerblich spürbare
Verletzungen beschränkt (vergl. Baumbach/Hefermehl, a.a.O.,
Rn. 18a).
Demnach ist hier zum einen danach zu differenzieren, ob alle oder
nur einzelne von § 6 S. 1 TDG geforderten Informationen fehlen
und zum anderen, ob diese nicht leicht erkennbar, nicht unmittelbar
erreichbar oder nicht ständig verfügbar gehalten wurden.
Einer weiteren Bewertung werden die erforderlichen Daten untereinander
zugeführt werden müssen.
Soweit lediglich der Name des Vertretungsberechtigten und die Umsatzsteueridentifikationsnummer
nicht in den nach § 6 S. 1 TDG erforderlichen Angaben steht,
kann nach Bewertung aller Umstände jedoch nicht davon ausgegangen
werden, dass eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs
vorliegt. Insbesondere wird der Verbraucher nicht deswegen ein Angebot
annehmen, weil der Anbieter zwar die Firma, die Anschrift, die Telefon-
und Fax-Nummer und eine E-Mail-Adresse angegeben hat, gleichwohl
seine Umsatzsteueridentifikationsnummer und der Name des Geschäftsführers
fehlt.
Ebenso wird wohl vernünftigerweise nicht ernsthaft davon auszugehen
sein, dass die Anpassung der Internetpräsenz an die allgemeinen
Informationspflichten zu derart hohen Aufwendungen führen,
dass diejenigen Mitbewerber, die ihre Internetpräsenz nicht
an die Änderung der Rechtslage angepasst haben, mit günstigeren
Angebotspreisen werben können. Ein wesentlicher und von der
Rechtsordnung mißbilligter, ungerechtfertigter Vorteil läßt
sich insoweit nicht feststellen.
Voraussetzung ist, dass der Verbraucher in die Lage versetzt wird,
sich über den Anbieter zu informieren und eine unmittelbare
Kontaktaufnahme mit dem Unternehmen für den Verbraucher jederzeit
möglich ist - solange diese Anforderung dauerhaft erfüllt
ist, vermag eine spürbare Verletzung des Wettbewerbs nicht
festgestellt zu werden (vergl. hierzu insbes.: v. Schubert, StuB
2002, 464, 465; ders., § 6 TDG - "Diensteanbieter" im Visier von Massenabmahnern?).
Selbstverständlich darf der angestrebte Schutz der Verbraucher
nicht leerlaufen, deswegen wird auch die Auffassung vertreten, dass
die in den §§ 6, 7 TDG normierten Informationspflichten
den unteren Standard darstellten, mit der Folge, dass der Verstoß
gegen diese Vorschriften per se nicht als geringfügig zu bewerten
ist. Vorzugswürdig erscheint allerdings, den Verstoß
gegen die einzelnen Ziffern des § 6 S. 1 TDG aus der Sicht
der Verbraucher zu bewerten und die unverzügliche Kontaktaufnahme
via Brief, E-Mail, Telefon und Telefax in den Vordergrund zu stellen,
so dass eine spürbare Wettbewerbsbeeinträchtigung nur
bei Nichtvorliegen dieser Voraussetzungen vorliegt. Das kummulative
Fehlen mehrerer nach § 6 S. 1 TDG erforderlichen Angaben ist
daher aus der Sicht des Verbrauchers zu bemessen. Die Vorschriften
des § 6 S. 1 TDG sollen nicht den Rechtsanwalt des Verbrauchers
schützen oder diesem die Arbeit erleichtern, sondern im Interesse
des noch ängstlichen Verbrauchers eine bestimmte Transparenz
gewährleisten, die nicht schon deswegen verloren geht, weil
den Informationspflichten des Diensteanbieters nicht vollumfänglich
genügt wurde. Dies muss überall dort gelten, wo es auf
die "Eignung zu einer wesentlichen Beeinträchtigung"
des Wettbewerbs ankommt.
Fälle, in denen z.B. lediglich der Geschäftsführer
und die Umsatzsteueridentifikationsnummer nicht genannt wurden,
müssen denmach nach hier vertretener Auffassung unterhalb der
Bagatellschwelle anzusiedeln sein. Eine entsprechende Klage eines
Mitbewerbers ist daher in Ermangelung der Eignung eines solchen
Verstoßes zur wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs
zwar nicht als unzulässig, aber sehr wohl aber als unbegründet
abzuweisen.
[RDO 26.04.2002]
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