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Die Zukunft des AdvoGraf


Das eigenartige Postingverhalten
bajuwarischer Advokaten


von AdvoGraf-Redakteur eMail an den Autor Alexander Kleinjung

Ganz Deutschland befindet sich erneut im Einheitstaumel, und während sich am Vorabend des zehnten Jahrestages die Politiker wie Kleinkinder um den Anspruch auf diese historische Errungenschaft balgen, geschieht gar unglaubliches: Der Münchener Rechtsanwalt und Abmahnkönig Günter Freiherr von Gravenreuth attestiert augenscheinlich im heise-Leserforum den Richtern am OLG Düsseldorf, zuständig für eine mögliche Berufung in Sachen Stefan Münz ./. Symicron, einen niedrigen IQ und postet, man käme sicher mit der Standardargumentation zum Sieg.

Dazu ein Eingeständnis, das nicht minder brisant ist: "Wie ich bei unserem letzten Gespräch schon angedeutet habe: No - die Marke (vermutlich "Explorer", Anm. d. Verf.) läßt sich langfristig nicht halten!"

Die ersten Jubelschreie werden laut, die Jagd auf den ungeliebten Advokaten ist eröffnet: Diese Meinungsäusserung würde doch Folgen haben müssen; nicht nur in Düsseldorf.

Nur wenig später kommt das Dementi: "Das Zitat stammt nicht von mir!!!"


Die Hosen runtergelassen?

Die Netzgemeinde findet sich in der totalen Konfusion wieder: Hat er – oder hat er nicht? Die Frage bewegt... und erste Erklärungsversuche kommen auf.

Klar hat er, so die weitverbreitete Meinung. Gravenreuth steht in dem Ruf, seine beliebten Crosspostings nach der Methode Copy-and-Paste abzusetzen. Also hat er offenkundig den falschen Text – vielleicht gar eine Mail an seine Mandantin Symicron? – im falschen Fenster eingefügt, zu schnell auf "absenden" geklickt... und schon war's passiert.

Dazu würden folgende Textpassagen passen: "Bisher haben wir alle Gegenklagen gewonnen, vgl. zuletzt: ch kopiere Ihnen das Zitat ans Ende dieser mail" und weiter unten ein Link: "http://www.heise.de/newsticker/data/ad-18.09.00-000/" (Gegenklage der FH Oldenburg/Wilhelmshaven).

Erinnerungen an die legendäre "Sprechprobe" von Ronald Reagan oder den jüngsten Fauxpas von George Bush jr. werden wach. Da lässt einer die Hosen runter – und alle schauen zu. Live und in Farbe. Wunderbare Netzwelt!

Und überhaupt ist dieses Dementi so ganz untypisch für Gravenreuth: Kein Gepolter, keine Drohungen. Ein leises, fast verschämtes "ich war's nicht". Wie ein Kind, das verbotenerweise an den Süssigkeiten war und noch mit Schokoladenresten in den Mundwinkeln erwischt wird.


Sherlock Holmes Erben

Dennoch: Die Netzgemeinde will Klarheit. Während Deutschland seiner Einheit gedenkt, entwickeln gerade die User des heise-Forums einen Ermittlungsdrang, der manche Strafverfolger alt aussehen lässt. Man prüft und recherchiert in beide Richtungen: Ist ein Fake möglich? Wenn ja, wie kann das gehen? Ein Bug im Forum? Und was hingegen spricht für die Autentität des fraglichen Postings? Die chaotische Art, die Theorien über das "wieso", die verwendeten Absenderkennungen, das so untypische Schweigen des Angeschuldigten...?

Im Laufe des Tages steht fest: Man kann bei der Neuanlage eines Nutzeraccounts für das heise-Forum den Namen "Günter Frhr. von Gravenreuth" eingeben. Aber nicht die Mailadresse "gravenreuth@gravenreuth.de", da das System eine Bestätigungsmail mit einem Link zum endgültigen Freischalten des neuen Accounts verschickt. Dieser Weg scheidet also scheinbar aus.

Nicht ganz, wie sich später herausstellt: ändert man seine Userdaten, wird keine Bestätigungsmail mehr verschickt – und die ursprüngliche Mailadresse könnte in "gravenreuth@gravenreuth.de" geändert worden sein.

Fakes sind also grundsätzlich möglich. In dubio pro reo?


Lückenlose Indizien belasten Gravenreuth schwer

Je später der Abend, desto interessanter die Rechercheergebnisse: Da wäre nämlich auch noch eine UserID, die in jedem Beitrag veröffentlicht wird – und die auch dann erhalten bleibt, wenn alles andere (Namen, Pseudonym und Mailadresse) in den Userdaten geändert wird. Man muss eben nur wissen, wo und wonach man suchen muss.

Am frühen Morgen des 04.10.2000 ist es fast unerschütterlich: Das fragliche Posting muss von Gravenreuth stammen, denn es trägt seine UserID. Dieses Indiz ist fast so erdrückend wie die eigenhändige Unterschrift Gravenreuths.

Auch heise bestätigt zu diesem Zeitpunkt: Es war definitiv die Userkennung von Günter Freiherr von Gravenreuth. Ehe man aber eine abschliessende Wertung abgibt, will man die Logfiles auswerten. Das Ergebnis: Offenbar war es doch nicht Gravenreuth, der kurz vor dem fraglichen Posting noch eine ganz andere IP-Adresse hatte und nach eigenen Aussagen immer nur über einen bestimmten Provider online geht.


War alles doch ganz anders?

Zu diesem Zeitpunkt muss man also davon ausgehen, dass seine Userkennung und sein Passwort für das heise-Forum leicht zu erraten waren. Der geneigte Leser mag sich verwundert die Augen reiben: Der alte Hase im EDV-Geschäft beherrscht das kleine Einmaleins nicht? Das Kennzeichen seines jüngst abgeschleppten Daimlers als Userkennung und Tanjas Geburtsdatum als Passwort?

Bei heise reagiert man prompt: Der alte Account wird gelöscht und Gravenreuth gebeten, sich "ggf. bei der Neuanmeldungen eines Passwortes zu bedienen, das nicht so leicht zu erraten ist". Gravenreuth selbst setzt dem ganzen nur kurze Zeit später die Krone auf: das Passwort war "heise".


Ein Fazit? Unmöglich!

Wer in diesen Stunden Bilanz ziehen will, tut sich schwer: Da ist ein Posting, das Dynamit sein könnte – wenn seine Urheberschaft geklärt wäre. Da ist ein Forenscript, das sich offenbar ausbremsen lässt – und doch jedem Beitrag eine klare Signatur zuordnet. Und da ist ein Anwalt, der sonst keine Gelegenheit auslässt, die "Sau durch's Wohnzimmer zu treiben", der sich seit Tagen aber ganz ungewohnt still und leise verhält, ein selbsternannter Fachmann im EDV-Bereich, der ganz leicht zu knackende Passwörter verwendet, ein Jurist, der fast hilflos in einem Forum fragt, was er denn tun solle.

Endgültige Klarheit – und auch vollständige "Rehabilitation" für Gravenreuth – kann es nur geben, wenn der tatsächliche Verfasser des Postings ermittelt wird. Seine IP-Adresse ist bekannt; und zusammen mit einer Strafanzeige gegen Unbekannt sollte dies kurzfristig möglich sein. Vorausgesetzt, die Beteiligten haben ein tatsächliches Interesse an der Wahrheitsfindung. Es hat in diesem Lande ja auch schon in anderen Lebensbereichen Leute gegeben, die von brutalstmöglicher Aufklärung sprachen und im eigenen Interesse gut beraten waren, sich auf das Werfen von Nebelbomben zu beschränken.

Dem Beispiel von Marcel Reich-Ranicki folgend sei abschliessend noch Brecht bemüht: Wir sehen betroffen den Vorhang zu – und alle Fragen offen.

 

 

 
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